06.09.-09.09.2016
Eins vorweg: Die im letzten Beitrag erwähnten Stiche an Daniels Armen und Beinen waren wirklich Bettwanzen – wo sie Daniel befallen haben, keine Ahnung, aber das war unser Willkommen in Zentralasien 😀 Nun gehts aber erstmal wieder los!
Diesen Bericht schreiben wir in einem Guesthouse in Chaek. Eigentlich hatten wir uns schon gegen eine Unterkunft entschieden, doch kaum sind wir aus dem Ort raus, baut sich vor uns eine epische Gewitterfront auf. Kein Problem, wir fahren weiter. Als dann die ersten Blitze zucken, machen wir kehrt, also zurück durch die letzte größere Ortschaft. Dutzende Kinder in knuffigen Schuluniformen rufen uns „Hello!“ hinterher. Manchmal sind es gleich 20 Kiddis, die uns entdecken und eine unglaubliche Show veranstalten, reihenweise gibt es High Fives. Alles super lieb und nett, hoffentlich kommt hier nie jemand auf die Idee, Kugelschreiber oder Süssigkeiten zu verschenken.
Hinter uns liegen drei Tage wildcampen, zwei davon in ziemlicher Höhe. Wir sind von Bishkek westlich nach Kara Balta gefahren, um von dort aus den Too Ashuu Pass in Angriff zu nehmen, danach soll es Richtung Osten zum Issykkul gehen. Begleitet werden wir bei unserem Passaufstieg von Charlene, einer Hündin, die uns bei einem kleinen Einkaufsstop entdeckt (bei dem wir einen Eistee kaufen, der beim ersten Öffnen leider nicht mehr knackt, tja Pech gehabt – trotzdem ist der Nomadenstop eine Rettung, es gibt nämlich endich Wasser zum Auffüllen) und uns dann bis zur Passspitze folgt. Sie muss öfter auf uns warten, weil sie viel leichtfüßiger vorankommt, doch selbst im eisigen Regen macht sie nicht kehrt und freut sich über jeden Keks, den wir ihr abgeben. Wir müssen oft die Regenjacke mit der warmen Jacke und wieder zur Windjacke tauschen, das Wetter ändert sich alle paar Serpentinen. Toni trägt zum ersten Mal seit Bulgarien wieder Socken und Schuhe, die Wollmützen werden ausgepackt und auch die Regenjacken, die seit Batumi Pause hatten, kommen wieder zum Einsatz.
In vielerei Hinsicht ist Kirgistan die Quintessenz dessen, was wir uns von dieser Reise erhofft haben. Haben wir uns vor Jahren diese Reise ausgemalt, dann kamen uns Bilder wie diese in den Sinn. Vollbepackte Räder und bunte Outdoorklamotten vor beeindruckender Kulisse. Manchmal sind wir abgestiegen um einfach nur den Moment zu genießen.
Kirgistan liefert auch alles was wir erwartet hatten, Jurten, gastfreundliche Leute aber auch besoffene Kirgisen, viel Sovjetcharme – das volle Programm. Wildcampen ist gar kein Problem, wir sind in einem Nomadenland. Wir transportieren Wasser und Essen für einige Tage, und das Gefühl sich dermaßen über eine Dose Champignons und zwei frische Äpfel zu freuen, kann nur verstehen, wer vorher ein dutzend Magazins nur mit Keksen und Vodka gesehen hat. Fast alles, was es zu kaufen gibt, ist seit mindestens einem halben Jahr abgelaufen – aber he: Why not? Der russische Schnaps ist hier allgegenwärtig und unwesentlich teuerer als Wasser mit Kohlensäure und das obwohl uns die Bevölkerung muslimischer erscheint, als wir erwartet hatten. Die Gastfreundschaft der Muslime ist eine Konstante dieser Reise, sind wir bspw. in Almaty auf dem Markt, steuern wir direkt den traditionell gekleideten Moslem mit langem Bart und Kopfbedeckung an, hier wird zwar hart gehandelt, trotzdem fühlen wir uns immer ehrlich behandelt und ein nettes Gespräch mit aufrichtigem Interesse gehört meist auch dazu.
Neben dem Iran war Aserbaidschan an Gastfreundlichkeit kaum zu übertrefffen und wir haben die Zeit im Land des Feuers wirklich genossen – und diese Gastfreundschaft begleitet uns weiterhin: Wir stehen am Too Ashuu Pass auf 3100 Meter als wir zu einem Tunnel kommen, ich fahre kurzerhand am Wachposten vorbei in den Tunnel, Toni wird allerdings angehalten und ich höre nur ein Pfeifen von hinten: kein Durchkommen mit dem Rad (im Nachhinein kann ich froh sein, dass ich nicht einfach weitergefahren bin, Autos kommen nur Spiegel an Spiegel durch den extrem schmalen Tunnel, es gibt keinen Seitenstreifen oder Beflüftung und es geht 2 km bergauf). Wir müssen uns eine Transportmöglichkeit organisieren oder es geht zurück nach Bishkek. Die ersten Anfragen an LKWs mit Händen und Füßen bleiben erfolglos, oft sind die Anhänger verschlossen oder es ist eh unmöglich die Räder hinauf zu hieven. Wir warten die erste Grünphase ab (LKWs dürfen nur abwechselnd in eine Fahrtrichtung durch den Tunnel) – keine Chance. Ein Straßenarbeiter lädt uns zum Chai ein – Why not? Warte mal Chai? Kein Vodka oder vergorene Stutenmilch? Der gute Mann ist natürlich aus Aserbaidschan, genau wie seine Kollegen, also Fotos rausgeholt und die ganze Crew ne halbe Stunde gut unterhalten. Genau wie seine Landsleute möchte der Chef der Tunnelbaugesellschaft aus Baku alles wissen: Wie alt, Kinder usw. wir kramen unseren Azeri-Wortschatz hervor und ernten Anerkennung. Nachdem der Tee alle ist, geht es wieder raus auf die Straße, einen Lift organisieren – dieses Mal mit aserbaidschanischer Unterstützung. Es dauert keine zehn Minuten, dann stehen wir mit den Rädern auf einem Kleinlaster, auf dessen Ladefläche üblicherweise zwei Pferde Platz finden (so kommen sie uns zumindest dutzendeweise die Passstraße entgegen). Wir bekommen noch den Tipp, ein Tuch vor den Mund zu nehmen bevor es in den Tunnel geht, dann beginnen 2 Kilometer zentralasiatisches Abenteuer – aber alles halb so wild, nach kurzer Fahrt sind wir oben. Die Räder werden abgeladen, Spasibo! Als Dankeschön gibt es eine Packung Malboro-Kippen (die haben wir immer in der Lenkertasche für Cops, Grenzbeamte, Straßenarbeiter oder um einfach das Eis zu brechen – kosten auch nur umgerechnet 1€).
An der Passspitze fühlen wir uns wie im Iran, wir sind das Motiv für dutzende Fotos und Selfies. Es geht auf überraschend guten Straßen steil bergab, entlang der Jurten und mit schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund. Danach liegen einige Kilometer Piste vor uns und eine umwerfende Landschaft, die sich nach jeder Kurve ändert. Am Fluss entlang geht es dabei durch ein Tal zwischen roten Bergen, wo wir auch sehr leicht einen Platz zum Zelten finden. Erst 30 km später geht die Piste wieder in Asphalt über, hier wurde eine super Straße gebaut, es fährt aber nur vielleicht alle 10 Minuten mal ein Auto vorbei. Umso besser für uns!
Macht was draus. T+D
Etappen:
Bishkek – Kara Balta: 76 km
Kara Balta – Too Ashuu Pass: 67 km
Too Ashuu Pass – Wildcamp am Fluss: 63 km
Wildcamp am Fluss – Chaek: 68 km
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