21.11. – 02.12.2016
Vielleicht habt ihrs gemerkt, wir sind noch länger in Chengdu geblieben als geplant. Bei unserem ersten Versuch waren wir spät dran, als es sich dann immer weiter zuzog und wir nach 20 km rumkurven noch nicht mal aus der Innenstadt raus waren, haben wir kurzerhand entschlossen noch ein paar Tage ranzuhängen und das nächste Hostel anzufahren. Wir waren einfach nocht nicht bereit weiter zu fahren, die nächsten Tage bringen besseres Wetter und schließlich verlassen wir die Hauptstadt Sichuans an einem der seltenen Sonnentage, an denen sich der Himmel zeigt – ein Anblick, den wir lange vermisst haben.
In Chengdu treffen wir einige Langzeitreisende, mal mit, mal ohne Fahrrad. Es ist immer ein Austarieren zwischen viel sehen / reisen und viel fahren. Unsere Zeit in Chengdu haben wir dadurch erkauft, dass wir erneut abgekürzt und den Zug genommen haben. Radfahrer, die alles fahren und dabei am Besten noch die schwierigsten Routen wählen, genießen unsere größte Anerkennung, oft geht bei einem solchen Reisestil, den wir für uns eigentlich auch geplant hatten, das Einfühlungsvermögen verloren, weil die Zeit fehlt Erlebtes zu verarbeiten und man am Ende nur noch gestresst ist, seien es die Kinder am Wegesrand, die nervigen Verkäufer, der Akt etwas zu essen zu bestellen usw. In vielen Berichten bemerkt man den „Reiseblues“ der Radreisenden, die pausenlos „Kilometer fressen“. Auf der anderen Seite gibt es Radler, denen ihr Rad irgendwann nur ein Klotz am Bein ist, weil es sie vom „Reisen“ abhält. Irgendwo dazwischen muss jeder seine Reisphilosophie finden – auch wir. Zwei Wochen in einer chinesischen Stadt sind viel Zeit und auch ein Dreimonatsvisum hat nicht unendlich Spielraum, die Eindrücke, die wir hier gewonnen haben vermitteln uns allerdings ein tieferes Verständnis von China, als das Fahren auf endlosen Landstraßen mit verstecktem Wildcamping am Abend. Auf der andere Seite möchten wir das Radeln über Land mit all den wunderbaren Zusammenkünften, großartigem Essen (vor allem in Sichuan, mit Pfeffer, der den Mund taub werden lässt) nicht missen. Wir wollen, dass unsere Reise auch ein körperlicher Akt ist, wir wollen die Anstiege und die Kilometer spüren. Wir wollen aber nicht die Lust verlieren, offen für neues bleiben und einfach Spaß beim Radeln haben (auch wenn das heißt ab und zu auf seinen Körper zu hören (und vlt. auch mal auf die Vernunft) und abzukürzen). Alles nicht so einfach.
Die ersten zwei Tage nach Chengdu sind nervig. Im chinesischen Verkehr schwimmen wir zwar gut mit (es macht sogar richtig Laune – im Gegensatz zu Deutschland fehlt hier einiges an Agressivität), die Hupen der LKWs machen uns allerdings schon zu schaffen. In Leshan steht das nächste touristische Highlight auf dem Plan: ein riesiger sitzender Buddha, der dort vor 1200 Jahren in den Fels gehauen wurde. Das ganze wird von einem ansehnlichen Park umgeben, in dem man Tage verbringen könnte.
Im November ist totale Nebensaison, die Infrastuktur lässt erahnen, was hier im Sommer los ist. Der Buddha selbst ist beeindruckend und eine Reise wert.
Die Anlage beinhaltet auch einen buddhistischen Tempel. Selbst die chinesischen Touristen sind mal ruhig und behalten ihre Körperflüssigkeiten für sich – so andächtich ist die Stimmung hier.
Nach Leshan wählen wir einen Umweg Richtung Ya’an, da auf der Südroute einige Straßen gesperrt sind. Der Grund sind Erdrutsche, deren Folgen wir auch hier beobachten können. Uns erwartet China von seiner schönsten Seite, wir treffen deutlich mehr nette und aufgeschlossene Menschen als zuvor. Das Radfahren ist trotz einiger anstrengender Kletterei (oder gerade deswegen) eine wahre Freude.
Zeltplätze zu finden ist im dicht besiedelten und stark landwirtschaftlich genutzen Sichuan gar nicht so einfach. Die Hotels sind aber gut, leicht zu finden und in der Nebensaison ausgesprochen günstig. Nach der sehr angenehmen Stadt Ya’an wird das Klettern deutlich schwieriger. Wir fahren die G108 entlang und haben hinter Ya’an einen ziemlichen Anstieg zu bewältigen, den wir nicht auf dem Schirm hatten. Nachdem wir morgens im Hotel zu lange gebraucht haben, loszukommen, müssen wir bis zum Sonnenuntergang fahren, um auf genügend Kilometer zu kommen. Zum Glück finden wir im Halbdunkel eine brauchbare Zeltstelle direkt hinter einem Dorf. Am nächsten Tag geht es dann auf 2300m hoch, irgendwann sind wir nur noch von Nebel umgeben und es wird mit jeder Serpentine kälter. Wir halten immer wieder Ausschau nach Pandas, die hier am Berg wild leben sollen, doch die laut hupend um die Kurven rauschenden LKWs machen es eher unwahrscheinlich, hier welche zu sehen. Ganz oben am Gipfel liegt sogar Schnee und die Bäume sind mit Eiszapfen verziert. Runter gehts dick eingemummelt mit oft über 50 km/h – wir zittern vor Kälte und wämen uns auf halber Fahrt in einem Restaurant an einem kleinen Ofen. Wir müssen so bemitleidenswert wirken, dass wir auch die Hälfte unseres Essens dort nicht bezahlen müssen.
Der Blick auf das Höhenprofil für die nächsten Tage verspricht noch mindestens zwei-, dreimal einen ähnlichen Anstieg, bevor wir Kunming erreichen.
Macht was draus,
T+D
Etappen:
Chengdu Ausfahrt 1. Versuch: 21 km 😉
Chengdu – Meishan: 90 km
Meishan – Leshan: 79 km
Leshan – Hongya: 74 km
Hongya – Ya’an: 64 km
Ya’an – Dorf am Fluss: 81 km
Zeltplatz – Hanyuan: 69 km
Kilometerstand: 12360 km
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