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Neuseeland I: Kia Ora Aotearoa

19.04. – 25.04.2017

Toni und Daniel in Neuseeland – wer hätte das gedacht? Jetzt sind wir am anderen Ende der Welt, 20000 km mit dem Rad haben wir auf dem Weg zurückgelegt. Aber irgendwie können wir das alles noch nicht richtig genießen, auf dem Weg nach Singapur haben wir ordentlich Gas gegeben und wirklich erholen konnten wir uns im teuren Stadtstaat auch nicht. Besser hätte der Flug nicht laufen können: wir, alle Taschen und die unversehrten Räder kommen pünktlich auf Aotearoa, Neuseeland, der Insel der langen weißen Wolke an. Trotzdem sind wir fertig und ausgebrannt wie selten.

Aber der Reihe nach: das letzte Mal haben wir uns vom Flufhafen aus KL gemeldet. Die 6h Aufenthalt vergingen wie im Flug 🙂 hier kosten die gleichen Sachen wie im Flufhafen in Singapur auf einmal nur noch die Hälfte, dafür war Singapur der beeindruckenste Flughafen, den wir je gesehen haben: inkl. Kino, Schwimmbad und gratis Internet. Dafür kostet das Nackenkissen im Shop gerne mal 50$. Das Einchecken geht locker von der Hand und wir bleiben problemlos im Gewichtslimit.

Der Flug nach KL war noch wie Bus fahren, jetzt sitzen wir in einer großen Maschine und schaffen in einer Stunde das an Kilometern, was wir sonst in einer Woche schaffen. Den südlichen Sternenhimmel und die Milchstraße über den Wolken und bei klarem Nachthimmel aus dem Flugzeug heraus zu sehen, bereitet uns auf den Blick vor, den wir in den nächsten Tagen aus dem Zelt haben werden und stimmt uns perfekt auf den südlichsten Punkt unserer Reise ein.

Die Einreise ist überraschend einfach: Weiterflugtickets wurden schon beim Check-In in KL kontrolliert, es gab nur eine kurze Frage, was wir in NZ vorhätten, dann wurde uns schon „happy cycling“ gewünscht. Zum ersten Mal stellen wir auf die rote Seite beim Zoll und machen uns schon Panik wegen der vietnamesischen Kaffeebonbons und des iranischen Salzes, das noch in unserer Vorratstasche liegt. Unser Camping Equipment und die Reifen der Räder sind besonders kritisch. Bei der Frage, in welche Länder wir zuletzt gereist sind und ob wir dort in der Wildnis unterwegs waren, müssen wir schmunzeln und erklären unsere Reise. Die Reifen sind ok aber das Zelt soll gereinigt werden, während wir draußen warten. 10 Minuten später bekommen wir das Zelt durch eine kleine Klappe zurück, die kostenpflichtige Reinigung war wohl doch nicht nötig, wir haben es ja in Singapur auch ordentlich sauber gemacht. Yes!

Vor dem Flughafen bauen wir die Räder zusammen, es fängt an zu regnen, seit KL hatten wir nichts richtiges zu essen. Vor der Stadt soll es einen günstigen CP geben, wir kommen im Dunkeln an – nichts zu machen – alles zu. Die beste Option scheint uns einfach weiter zu fahren. Es ist bereits 21 Uhr, dunkel und kalt. Nach langer Diskussion sind wir bereit 60$ (40€) für ein Zimmer zu zahlen aber niemand hat mehr Platz für uns. Wir fahren durch einen Vorort von Auckland auf der Suche nach einem billigen Motel, einem CP oder einer Parkbank, als uns die Cops anhalten. Die Gegend sei sehr gefährlich, man würde uns hier sicherlich die Ausrüstung stehlen. Beide Polizisten sind sehr freundlich und sehen aus wie Rugbyspieler. Die beiden helfen uns ein Hotel zu finden aber keine Chance: alles zu. Insgesamt probieren wir mind. 10 Läden aus. Wir entscheiden uns einfach die Nacht durchzufahren. Als Übung für das nächste Paris-Brest-Paris (Gruß an Tobias) außerdem wollte ich das auf dieser Tour sowieso mal machen. Wir waren noch auf Singapurzeit, also 4h früher und guter Dinge. Um halb drei finden wir dann doch noch ein nettes Wildcampplätzchen neben der Straße und verbringen unsere erste Nacht am Ende der Welt im nassen Straßengraben.

Wir fragen uns, was wir hier eigentlich wollen, ohne Singapur fehlt uns ein Ziel vor Augen (erst in den nächsten Tagen sollten wir erfahren, wie befreiend dieses Gefühl ist), alles ist teuer und im Moment wenig einladend, dazu sind wir einfach fertig von allem. Am nächsten Tag fahren wir zurück in ein kleines Dorf und durchstöbern die Läden auf der Suche nach einer Gaskartusche – nach 2 Minuten kommen wir ins Gespräch, nach einer halben Stunde kennen wir alle Einwohner des beschaulichen Dorfes. Eine ältere Dame warnt uns vor Erdrutschen und gesperrten Straßen. Bei der Polizeistation gäbe es Freiwillige, die sich auskennen und uns beim Routenplanen behilflich sein können. Auch dort sieht man uns schon kommen und versorgt uns mit Kartenmaterial und Routentipps. Die Gastfreundschaft ist ganz anders, als wir sie von Asien und dem mittleren Osten her kennen, aber genauso begeistert sie uns.

Kurz darauf genießen wir die atemberaubende Kulisse der Küstenstraße und wissen genau warum wir hier sind. Zum ersten Mal auf dieser Reise stellt sich bei uns ein Gefühl der Zufriedenheit ob des Erreichten ein. Wir vermeiden immer den Begriff Weltreise, das klingt nach Weltumrundung oder dem Anspruch alles radeln zu müssen. Da wir nicht nach Afrika radeln, bereisen wir sowieso nicht die ganze Welt. Hier unten fühlen wir uns aber weit gereist und langsam aber sicher können wir uns vorstellen zufrieden die Heimreise anzutreten, vor allem, weil sie direkt durch die USA führt ;-).

Es bleibt aber alles etwas schwierig. Zwar sind viele Dinge (Obst, Gemüse und Restaurants) einfach irsinnig teuer, unterm Strich kann man aber trotzdem günstig über die Runden kommen, wenn man sich Vorräte in größeren Supermärkten anlegt und sich auf Äpfel und Pilze beschränkt, die grad Saison haben. Die Preise sind in Dollar angegeben und es gibt kaum etwas unter einem Dollar – das hat die psychologische Wirkung, dass uns alles noch teurer vorkommt. Dazu kommen mal wieder technische Probleme, nach 20000 km ist bei vielen Dingen die Luft raus, bei der Rohloffnabe hätten wir allerings nicht mehr mit Problemem gerechnet. Ich finde einen Haarriss am Nabenflansch. Seit der Abfahrt mein Horrorszenario. Im Gegensatz zum Beginn unserer Reise bleiben wir allerdings cool – zurecht. Nach Rücksprache mit dem Hersteller gibt es Entwarnung: einfach die Speiche an der betreffenden Stelle raus und zum nächsten Importeur, dort gibt es Flanschringe, die ein Ausreißen der Speichen verhindern – das hält dann auch problemlos durch die USA. Vor ein paar Monaten hätten wir uns deshalb völlig verrückt gemacht. Wir haben vor der Reise einen Reparaturkurs besucht und Toni hat ein Händchen für den Laufradbau und so gleicht sie die fehlende Speiche durch die Spannung der anderen aus.

Ein anderer „Defekt“ hätte fast unsere Reise (und vielleicht noch mehr) beendet. Auf einer Abfahrt platzt mir der Schlauch im vorderen Reifen. Neben mir fährt ein Auto als ich versuche bei 50 km/h Restgeschwindigkeit den Bock im Graben zu landen. Alles geht gut, ich bleibe im Sattel. Wie Tonis Sturz in China passiert uns dieses Maleur genau im richtigen Moment und erinnert uns daran, es nicht zu übertreiben. Der Genuss einer Abfahrt (etwas, was ich eigentlich liebe) steht in keinem Verhältnis zum „Erfolg“ der ganzen Reise und wir nehmen uns danach sehr zurück. Für die nächste Zeit fährt die Angst mit, kein guter Begleiter!

Für den gleichen Preis eines völlig überteuerten Becks oder Heineken bekommt man ein lokales Pacific Pale Ale, das man dann auch direkt am Strand genießen kann, während man den Surfern beim Wellenreiten zusieht. Nach all dem Stress lassen wir es nun super relaxt angehen, mit Winzetappen und Entspannung. Wir haben 6 Wochen, um beide Inseln zu erkunden und keine Termine.

In diesem Sinne,

Macht was draus.

D+T

Etappen:

Auckland – Clevedon: 56 km

Clevedon – Miranda: 70 km

Miranda – Te Pura: 45 km

Te Pura – Coromandel: 44 km

Coromandel – Long Bay: 9 km

Long Bay – Whitianga: 55 km

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