13.07.2017 – 21.07.2017
Zwischen Jobstress (Toni) und Bewerbungsstress (Daniel) haben wir mal wieder etwas Zeit gefunden um die Geschichte unserer Reise weiter zu erzählen. Wir hoffen, dass es noch jemanden interessiert, auch wenn ihr schon wisst, wie es ausgeht. Wir werden noch berichten wie uns das Einleben in Deutschland ergangen ist, aber der Reihe nach …
Mit der Fahrt nach Colorado hatten wir die Hoffnung verbunden, dass die Hitze endlich wieder etwas erträglicher wird – wir sollten enttäuscht werden.
Reist also mit uns gedanklich, vom kalten Herbst in Deutschland in die Hitze der Vereinigten Staaten.
Colorado begrüßt uns mit gratis Drinks an der Tankstelle. Mit einem Lächeln im Gesicht kommt Toni aus dem Gebäude, zwei riesige Becher Coke in der Hand, für die die Kassiererin nichts anderes wollte als ebendieses Lächeln. Colorado fängt schon mal gut an.
Wir versuchen ja immer, pro Staat mindestens einmal bei Warmshowergastgebern vorbeizuschauen und wieder sind wir gespannt was Colorado bewegt. Die Leute werden noch offener und kommunikativer als an der Küste und auch religiöser. Um uns herum sind religiöse Botschaften dekoriert und kaum ein Gespräch kommt ohne die Gretchenfrage aus. Höhepunkt diesbezüglich ist sicher ein Gespräch mit den Zeugen Jehovas am Küchentisch eines Warmshowershosts, nachdem uns auf einem Smartphone ein Video gezeigt wurde, das die Evolution, nun ja – etwas aussen vor lässt.
Doch auch den weltlichen Genüssen die Bewohner nicht abgeneigt, nach einigen trockenen Counties gibt es endlich wieder eine Auswahl wohlschmeckender amerikanischer Biere in den Liquor Stores. Ich baue gerade ein neues Kettenblatt an mein Rad und tausche den Hnterreifen (den frischer chinesischer Asphalt etwas zugesetzt hatte) um die Räder fit für die Rockies zu machen, als Toni hopfengestopften Nachschub holt. Das Sixpack mit Brauspezialitäten aus dem Nachbarort muss Toni nicht bezahlen, dafür kommt sie ins Gespräch mit dem Typen vor ihr in der Warteschlange, der auch Radfahrer ist und uns nicht auf dem Trockenen sitzen lassen möchte, cheers!
Gastfreundschaft und Aufgeschlossenheit uns gegenüber zieht sich durch alle politischen Lager. Erlebten wir in Kalifornien noch täglich Entschuldigungen von Passanten für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen, müssen wir uns jetzt erst langsam im Gespräch herantasten, was im Haus unserer Gastgeber oder in Gegenwart unserer Tischnachbarn sagbar ist und was nicht. Wir unterhalten uns mit Trump-Supportern und Libertären, mit Wahren Christen und mit Kiffern. Aber dazu dann mehr im nächsten Beitrag.
Die Gegend wird hügeliger und erinnert uns an Süddeutschland…
Wir geniessen das angenehmere Klima in der Höhe und könnten auch nachts durchschlafen, gäbe es nicht immer die beeindruckende Milchstraße, deren Anblick uns immer wieder aus den daunengefüllten Penntüten zieht.
Auf unserer Kartenapp sind die nächsten Tacco Bell Restaurants markiert, die bei vielen Amerikanern oft einen eher zweifelhaften Ruf geniessen. Mit Magenkrämpfen kämpfe ich mich zur „Continental Devide“, zur kontinentalen Wasserscheide hoch. Alle zwanzig Minuten gilt es ein verdecktes Plätzchen zu suchen, um den letzten Burrito wieder los zu werden.
Am Ende der Plackerei erwartet uns der höchste Punkt unseres Amerikaabenteuers, eine super Aussicht und eine noch grandiosere Abfahrt – zum Glück mit einem frischen Reifen.
Die kühle Nacht ist eine wahre Wohltat für unsere hitzegeschundenen Körper und die Gegend versprüht den Charme der Rocky Mountains.
Der Weg runter zum Atlantik sollte doch jetzt kein Problem mehr sein, denken wir und sind bereit es wieder mit der Hitze aufzunehmen. Mal wieder wird uns leckeres Craftbeer geschenkt – läuft bei uns. Vor ein paar Tagen sind wir an der Stadt Leadville vorbeigekommen, ein weiterer Austragungsort eines legendären Ultramarathons, der durch die hohen Berge führt – jetzt nähern wir uns einer Gegend die eher an das Klischee-Kansas erinnert als ans Gebirge. Hier gibt es ausser Prärie nicht viel mehr als riesige Gefängnisstädte (daher der Titel dieses Berichts). Hier leben mehr Menschen als in den richtigen Orten im Osten Colorados. Wir fahren an hohen Zäunen vorbei, hinter denen die Insassen Baseball spielen. Die Freiheit der Landstraße erscheint uns umso romantischer.
Unser Plan ist es jetzt dem Transamerica Trail zu folgen, Pueblo ist die letzte größere Stadt für längere Zeit sodass einiges an Organisatorischem auf dem Plan steht. Wir sind spät dran wenn wir noch nach New York wollen und gönnen uns keinen Pausetag in dieser sehr ansehnlichen Stadt, die uns mit ihrem Industriecharme verzaubert. Wieder erwartet uns eine „warmshower“ und natürlich sind wir früh da um etwas Zeit mit unserem Gastgeber zu verbringen. Unsere gemeinsame Tour geht durch die Stadt zur Bibliothek, die, wie so oft in den USA, durch private Spenden finanziert, zum kulturellen Zentrum der Stadt avanciert. Immer wieder erstaunt uns wie wichtig die Institution Bibliothek in den USA und auch in NZ ist und wie gut man es schafft das Kulturgut Buch mit neuen Medien und kulturellen Angeboten zu verbinden. Im modernen Gebäude sind tibetischen Möche zu Gast, die mit Sand einen Mandala anfertigen – einen solchen Anblick hatten wir hier nun gar nicht erwartet und erinnern uns wehmütig an die Zeit in Chengdu. Unsere Reise hat mit dem Flug von NYC ein allgegenwärtiges Verfallsdatum bekommen, vielleicht auch ein Grund, warum wir etwas fotofaul geworden sind ;-).
John unser Host empfiehlt uns noch bei Gillian vorbeizuschauen, einer Gastgeberin aus Neuseeland, die nur eine Tagesetappe auf dem Transamerica Trail ihre Farm hat. Das hört sich nach einem Plan an.
Gillian ist ein Original und eine Legende entlang des Trails. Im Garten steht ein alter Campervan mit 8 Etagenbetten! Mit über 250 Gästen im letzten Jahr ist sie sicherlich eine der fleissigsten Mitglieder des Warmshowers-Netzwerk. Wer bei ihr unterkommt, hilft am nächsten Tag für 15 min auf der Farm mit (und hat den Rest des Weges eine gute Geschichte zu erzählen) – so auch wir. Es gilt einen Pfahl aufzustellen für eine weitere Scheune – eine Aufgabe, die man unmöglich alleine bewältigen kann – da kommen zwei trainierte Radler aus Deutschland ganz recht. Wir klopfen uns den Staub von den Sachen und kommen ins Gespräch: Was ist typisch für NZ, was typisch USA, Wie stehts mit dem Leben auf einer Farm und all die Freiheiten die man hier genießt: „Hast du eigentlich ne Knarre?“, fragen wir Gillian „Ja klar, willst du schießen?“, kommt die Antwort und wir erschießen einige Dosen mit den Kniften, die uns Gillian überreicht. Wir haben ein schlechtes Gewissen ob unser Abneigung gegen Waffen und ihre Nutzung, haken die Aktion als „Amerikaerfahrung“ ab und müssen zugeben, dass es Laune gemacht hat ;-).
Fotos vom Arbeitseinsatz gibt es auf Gillians Facebookseite:
Den Spass können wir brauchen, denn vor uns liegt die größe, staubige Einsamkeit der Prärie und Kansas, ein Staat über den die Meinungen der Radreisenden stark auseinander gehen. So sattel wir unsere stählernden Rösser, ziehen die Nummernschilder fest (von Colorado haben wir dutzende am Straßenradn gefunden – die werden übrigens von den Insassen der Gefängnisse hergestellt, so erzählt es uns Gillian, die lange hier gearbeitet hat und als Wärterin auch Schießen gelernt hat 😉
In diesem Sinne macht was draus.
Love + Lycra
D+T
Etappen:
Fruita – Olathe: 106 km
Olathe – Montrose: 30 km
Montrose – Elk Creek: 83 km
Elk Creek – Monarch Park: 106 km
Monarch Park – Texas Creek: 84 km
Texas Creek – Pueblo: 119 km
Pueblo – Ordway: 106 km
Ordway – Eads: 105 km
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