03.10.-15.10.2016
… just doin‘ my time
Searchin‘ through the dust, lookin‘ for a sign
If there’s a light up ahead well brother I don’t know
But I got this fever burnin‘ in my soul.
Further on up the road…
So singt es Johnny Cash in seiner Interpretation eines amerikanischen Klassikers von Bruce „the Boss“ Springsteen. Dieser Song passt so gut zu der Atmosphäre hier in den Ausläufern der Wüste Gobi, durch die wir uns im Moment bewegen. Morgens, nach einer Zeltnacht in der Stille und Einsamkeit der Wüste höre ich diesen Song – meist während ich mein Geschäft zwischen den Dornenbüschen verrichte 😉
Der letzte Bericht endete mit unserer Ankunft im bisher besten und günstigsten Hotel dieser Reise. Wir genießen zwei entspannte Tage, die wir echt nötig hatten. Weiter gehts mit frisch gewaschenen Klamotten, kurz geschnittenen Haaren und mit Obst und Tofu vollgefressen. Das Hotel hatte eine Mediathek auf dem Fernseher mit einigen englischen Filmen (!!!), die wir schon lange sehen wollten und zum ersten Mal eine Decke, die auch für meine Körpergröße ausreichte, dazu kommt, dass die Klobrille fest angebracht war. Ein Luxus, den wir nicht mehr gewohnt waren. Die nächsten Tage werden wir uns mit Wehmut an das Hotel erinnern, nicht nur weil es kalt wird.
Wir stehen im siebten Stock am Fenster, ein Sturm zieht auf. Es wird so schlimm, dass wir uns Sorgen um die Räder machen, uns anziehen und nachschauen – das Hotelpersonal hat die Räder schon in die Lobby gestellt – wir schlafen entspannt im warmen Hotelbett ein. Am nächsten Tag hören wir von einem Radreisenden, der diesen Sturm als Wüstensturm am Rand der Wüste Gobi erlebt. Tori, die wir kurz vorher getroffen haben, schreibt, dass sie auf dem Pass, den wir gerade zwar bei Kälte aber klarem Wetter überquert haben, im Schneesturm stecken geblieben ist und in einer Tankstelle auf besseres Wetter wartet um den Pass passieren zu können – unter diesen Umständen erscheinen die Beschränkungen der Polizei unter einem anderen Licht. Wer weiß, vielleicht war die Straße auch aufgrund des kommenden Unwetters gesperrt. Egal – wir haben das Wetter mal wieder super abgepasst. Leider muss Toni ihren Geburtstag trotzdem an einem regnerischen Abend im Zelt verbringen – vielleicht wäre eine weitere Nacht im Hotel gut gewesen, doch das Wetter treibt uns voran, es wird immer kälter.
Nicht nur das Übernachten in einer bezahlten Unterkunft wird einfacher, auch das Zelten. Grandiose Landschaften mit schönen Zeltplätzen – so macht das Spaß. Die Straße schlängelt sich zwischen bunten Bergen auf 1700m hoch, kein Mensch und kein Tier außer ein paar Raben ist hier noch zu sehen.
Teilweise ist die einzige Straße die Autobahn, durchgängig mit Stacheldraht abgezäunt und scheinbar für Fahrräder verboten. Bei jedem Polizeiauto schrecken wir zusammen, an den Kontrollposten, wo ähnlich einer Grenze alle Busfahrgäste aussteigen und alles durchleuchtet wird, werden wir nur freundlich durchgewunken – wir verlassen die kritischen Gebiete.
Nach einem langen Tag mit 150 km erreichen wir Turpan, eine Oasenstadt am Rand der Wüste Gobi. Wir erhofften uns von Turpan schon lange eine Art Urlaub, in der ursprünglichen Planung der letzten Wochen wollte Toni eigentlich ihren Geburtstag hier verbringen, nun sind wir ein paar Tage später da. Turpan ist eine geschäftige Stadt, überall Nachtmärkte, viele Menschen auf den Straßen und auch einige Touristen, die ersten, die wir in China treffen (mal abgesehn von Tori). Wir entscheiden uns für das DAP Hostel, das allerdings so voll ist, dass wir in der ersten Nacht mit drei anderen Leuten im Hof schlafen müssen (die Woche um den chinesischen Nationalfeiertag ist die Hauptreisezeit im Jahr). Eingemummelt in unsere Schlafsäcke ist das allerdings kein Problem. Hier treffen wir Josef und Borgi, ein österreichisches Paar auf Weltreise, den australischen Radler Jackson, mit dem wir den Abend verbringen, sowie die deutschen Radler Patrick und Manu, die ihre Räder per Zug vorgeschickt haben und sich auch bald in die Provinz Gansu aufmachen. Wir bleiben ein paar Tage im Hostel, sehen uns die Stadt an (eher die Restaurants), essen uns so richtig satt und kümmern uns mal wieder um die Räder.
Die Weiterfahrt fällt uns schwer, die Fahrradwartung war nötig und die Waschmaschine nicht zu verachten, trotzdem hätten wir gerne ein Einzelzimmer gehabt, um auch mental zu erholen. Privatsphäre ist uns in China wichtig, nach Tagen des ständigen Angestarrtwerdens tut etwas Privatheit einfach gut.
Die letzten Etappen nach Hami werden zäh. Die Landschaft ist beeindruckend, aber auch einschüchternd und monoton, viele Radler nehmen für die wenig abwechselungsreiche Strecke den Zug. Wir möchten den Übergang zum grüneren China selbst erfahren. Alle 100km gibt es eine Tankstelle mit Shop, dazwischen überhaupt nichts. Wir erreichen bald die Heihe-Tengchong-Linie, diese imaginäre Linie verbindet die beiden genannten Städte, eine im Nordosten, eine im Süden Chinas. Östlich dieser Linie leben 90% der Chinesen, bisher waren wir nur im menschenleeren westlichen Teil und erleben nachts oft die Stille und Einsamkeit der Wüste – die manchmal aber auch beängstigend sein kann. Kurz vor unserem Ziel in Hami bekommen wir Obst und Brot geschenkt, Brot zu finden wird zunehmend schwieriger, bald gibt es wohl nur noch Reis (das wird hart für Toni, die jeden Tag ihr Brot braucht).
In Hami suchen wir ein Hotel, das uns in einer WhatsApp-Gruppe empfohlen wurde (in dieser Gruppe sind über 60 RadlerInnen vereinigt, die alle in oder auf dem Weg nach China sind). Wir haben schon knapp 140 km auf der Uhr, sind fertig und entscheiden uns dann doch für ein Hotel, bei dem wir herangewunken werden. So machen wir das immer, auch bei Restaurants – ist bisher noch nie schief gelaufen. Wenn die Leute Lust auf uns haben und Geld verdienen wollen, ist das immer eine gute Ausgangslage. Der Wachmann zeigt uns ein Restaurant nebenan. Ehe wir uns versehen, sitzen wir am Tisch – es gibt kein Entkommen 😉 Die Kommunikation ist sehr viel komplizierter als sonst – wir sitzen in einem Hotpot-Restaurant (das wollten wir eigentlich nur zusammen mit Chinesen besuchen, hier muss man nämlich jede Zutat einzeln bestellen – und wir können gerade mal die Wörter für Tofu, Reis, Nudeln und Gemüse). Nach der anstrengenden Bestellung werden wir trotzdem satt und haben eine super spannende Essenserfahrung, die aber auch gleich mit den dreifachen Kosten eines normalen Essens zu Buche schlägt (rund 20€).
Was wir in den letzten Tagen gelernt haben:
- Wollen wir etwas bestellen, sollten wir unseren Wunsch nicht als Frage formulieren. Do fu? (Tofu) ändert die Intonierung auf die letzte Silbe und ändert die Bedeutung des Wortes, so werden wir nicht verstanden.
- Die Hotelpreise, die ausgehängt sind, enthalten entweder ein Pfand für den Schlüssel oder gelten nur in der Hauptsaison. Statt 300 Yuan, kosten die Zimmer in der Nebensaison dann oft nur 120 Yuan mit 180 Deposit.
- Autobahn fahren ist angenehm, die Polizei an den Kontrollstellen winkt uns nur durch. Der Stacheldraht neben der Straße macht die Zeltplatzsuche aber manchmal unnötig kompliziert, wir müssen immer auf Lücken im Zaun warten.
Die Etappenorte zu bezeichnen fällt heute schwer – es gibt einfach nichts in der Wüste, für die eigene Planung oder zum Nachvollziehen, schaut einfach auf die Spot-Route.
Etappen:
Hoxud – Wildcamp an der Autobahnrastätte: 87 km (Tonis Geburtstag)
Autobahnraststätte – Hügel : 78 km
Hügel- Turpan: 151 km
Drei Pausetage in Turpan
Turpan – Shanshan: 95 km
Shanshan – Raststätte: 85 km
Räststätte – Wüste kurz nach Checkpoint: 106 km
Checkpoint – Hami: 137 km
Kilometerstand: 11.037 km
Macht was draus. T+D
PS: Wir haben die Ausrüstungssektion etwas überarbeitet, falls euch sowas interessiert, schaut mal vorbei. Unter Tipps und Tricks haben wir eine kleine Sammlung unserer Erfahrungen gestartet.
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