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China VI – Gansu: Straight outta Dunhuang

26.10. – 06.11.2016

Heute (04.11.) sind wir in Jiayuguan angekommen, dem Endpukt der Großen Mauer von China (Bilder gibts im nächsten Beitrag). Auch für uns bedeutet dieser Punkt eine Zäsur: wir wollen hier in den Zug steigen und damit zum zweiten Mal nach unserem Flug von Teheran nach Almaty einen Teil der Strecke nicht aus eigener Kraft zurücklegen. Im Gegensatz zum ersten Mal haben wir bei dieser Entscheidung nicht das geringste schlechte Gewissen: Es gibt zwar auch wieder gute Gründe den Zug zu nehmen, für uns ist aber nur wichtig, dass es sich für uns sinnvoll und gut anfühlt. In den letzten Wochen konnten wir Westchina zur perfekten Jahreszeit genießen, genau wie Kasachstan und Kirgistan vorher – wären wir anders gefahren, müssten wir uns jetzt dort durch Schnee kämpfen. Jetzt erstmal die Geschichten der letzten Tage:

Dunhuang ist eine der Städte Chinas mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen – und das merkt man auch. Die perfekten Alleen der Stadt sind blitzeblank sauber gefegt (von hunderten ArbeiterInnen) und der langsame, gesittete Verkehr (für den die Stadt berühmt ist) wird von einer Vielzahl Polizisten geregelt. Es gibt zwar viel zu sehen und die Stadt ist für uns wirklich wie eine Oase in der Wüste, trotzdem wollen wir nur einen kurzen Zwischenstopp einlegen und schnell weiter – der Winter ist uns auf den Fersen, die letzten Tage war es schon empfindlich kalt. Das größte Highlight der Stadt war das Green Lotus Restaurant, das nur Bio-Produkte verarbeitet und damit ausschließlich vegetarische Gerichte zubereitet. Neben dem Essen war vor allem die Besitzerin des Ladens eine Offenbarung. Sie hat in Australien studiert und hatte großes Interesse an unserer Reise. Während alle Angestellen sich zusammen unsere Fotos anschauten, konnten wir all die Gerichte genießen, die wir uns sonst nie zu bestellen getraut hätten oder in der Karte hätten entziffern können.

Dunhuang ist auch berühmt für seinen Nachtmarkt, dort erfahren wir, dass hier auch mehr geht als nur Fleischspieße. Wir entdecken den „China-Döner“ für uns – ein frittiertes Brötchen, gefüllt mit frittiertem Gemüse, das wir uns nach Herzenslust aus den vielen angebotenen Spießen aussuchen können. Das dann noch überzogen mit einer roten pikanten Soße – und fertig ist der Herzinfarkt im Brötchen. Das gönnen wir uns auch nur ab und zu 😉

Wir steuern mit den Mogao Grottoes auch mal wieder ein richtig touristisches Ziel an. Wir waren etwas unentschlossen, ob wir uns den für Ausländer ziemlich hohen Preis (220 RMB = 28€ pro Person) leisten wollen – können im Nachhinein aber nur unsere Empfehlung ausprechen. Mit einem Kleinbus fahren wir die kurze Strecke vor die Tore der Stadt zu einem modernen Museumskomplex (hier gibt es auch ein Café mit Kaffee aus echten Bohnen(!)). Wir schauen uns zwei Filme an, eine lange Doku über die Oasenstadt Dunhuang und ihre Rolle in der Geschichte der Seidenstraße und über die Grotten (UNESCO Weltkulturerbe), der Film steht einer modernen Hollywoodproduktion in nichts nach und lässt die Spannung steigen. Im zweiten Film, der in einer IMAX-Kuppel gezeigt wird, stehen die Grotten selbst im Fokus. Danach bringen uns Shuttlebusse zu den Höhlen, der Weg führt durch eine Sandwüste. Ein privater Guide zeigt und erklärt uns und zwei Australiern auf Englisch knapp 90 Minuten lang die Höhlen. Einige dieser Höhlen sind bereits über 1000 Jahre alt und wurden von vielen Generationen von buddhistischen Mönchen und Gelehrten besucht und teilweise auch bewohnt. Die Grotten waren jahrhundertelang in Vergessenheit geraten und wurden erst vor knapp hundert Jahren wieder entdeckt. Die meisten Höhlen sind an Wänden und Decken mit Fresken verziert, teilweise sehr kostspielig mit Lapislazuli und wunderschön erhalten, außerdem enthalten sie eine oder mehrere Statuen von Boddhisatvas und Buddhas. Das Highlight ist eine 30 m hohe Buddhastatue, die sich hinter den berühmten roten Balkonen befindet. Leider dürfen wir hier keine Fotos machen – das wird hier auch rigeros umgesetzt, später erfahren wir das sich die Farben der Fresken durch das viele Blitzlicht bereits verändert hat und deshalb bspw. die Gesichter der Buddhaabbildungen schwarz verfärbt sind.

Zum Glück gibt es im Dunhuang Museum ein Replikat einer Höhle, sodass ihr zumindest einen Eindruck bekommen könnt.

Der kühle Wind bei den Sehenswürdigkeiten bleibt nicht ohne Folgen: Toni klagt schon länger über ein Kratzen im Hals, jetzt geht nichts mehr: Sie liegt mit Erkältung und Fieber im Bett, an eine Weiterfahrt ist nicht zu denken. Wenig später erwischt es mich ebenfalls. Wir gehen in eine chinesische Apotheke und demonstrieren unsere Beschwerden, wir bekommen entzündungshemmende, grüne Tabletten, die nur aus Gemüse zu bestehen scheinen und eine Teemischung zum Abhusten, eine gute Ausbeute, die uns bei aller Abneigung der chinesischen Medizin (Galle-Bären, Seepferdchen usw.) doch gut gefällt. Wir werden Stammkunden im Green Lotus und schaffen sogar ein paar organisatorische Dinge zu erfüllen. Bisher haben wir Geld wie gewohnt vom Automaten geholt, da wir aber noch so viele Dollar aus dem (bzw. für den) Iran hatten, gings zur Bank of China zum Wechseln. Ein bürokratischer Akt, der an Absurdität nicht zu überbieten ist. Wir haben selten so viele Stempel und Unterschriften (die keinen interessieren und die niemand sieht) auf einem Stück Papier gesehen.

Dunhuang ist die bisher schönste chinesische Stadt unserer Reise und lädt uns ein, sie zu erkunden.

Wir sind noch nicht wieder ganz fit, als es uns weiterzieht. Winter und Schnee kommen bedrohlich näher und wir waren lange genug in der Stadt. Am selben Abend sollten wir unsere Entscheidung bereuen. Wir verbringen eine kalte Nacht mit Husten uns Schnupfen im Zelt.

Als uns auch am zweiten Morgen nur Eiswürfel aus den Trinkflaschen entgegenkommen, suchen wir abends in Yumen ein Hotel. Die Stadt ist voll, es scheint eine Messe stattzufinden (Yumen verdankt seinen Reichtum den vorhandenen Rohstoffen und insbesondere der Windenergie, links und rechts der Straße stehen aberhunderte Windräder). Abends ziehen wir durch ein Pärkchen, das hell erleuchtet ist.

Die Nacht im Bett war nötig und uns gehts am nächsten Morgen deutlich besser. Die letzten Wochen haben Spuren hinterlassen, die vielen Pausen waren nötig. Wir sind erschöpft, körperlich und mental – Kleinigkeiten reichen aus, um uns streiten zu lassen. Wir erleben aber auch wieder Höhepunkte, beeindruckende Wüstenlandschaften und die Milchstraße, die ihren Bogen über das Zelt spannt. Nirgens bisher war alles so dicht beisammen wie in China: unglaubliche Gastfreundschaft und schroffe Abweisung, grandioser Service und reine Schikane, unberührte beeindruckende Natur und krasse Ausbeutung und Umweltverschmutzung, die besten Straßen – umzäunt mit Stacheldraht, das beste Gemüse – frittiert in Schweinefett. Die Aufzählung könnte ewig so weiter gehen. China ist vorallem eines: anstrengend. Es ist aber auch ein Erlebnis, das wir nicht missen möchten. Wir haben in den letzten Wochen China vom Rand aus betrachtet, das wahre China beginnt erst. Wir haben gesehen, wie Chinesen Urlaub machen und wie die Uighuren behandelt werden. Wir brauchen jetzt einen klaren Schnitt, den machen wir, indem wir den Zug nehmen. Für uns, politisch, geografisch und geschichtlich an der richtigen Stelle, am Schlußpunkt der Großen Mauer.

Etappen:

Dunhuang – Guazhou: 96 km

Guazhou – Camp beim Reservoir: 85 km

Camp beim Reservoir – Yumen: 89 km

Yumen – Raststätte: 72 km

Raststätte – Jiayuguan: 66 km

Bei den Raststätten kommt man meist gut von der Autobahn runter in die Wildnis zum Zellten und kann sich am nächsten Morgen versorgen.

Macht was draus.

T+D

2 Antworten zu „China VI – Gansu: Straight outta Dunhuang“

  1. Avatar von Florian

    Hallo ihr zwei,
    wow da habt ihr es echt weit geschafft! Respekt. Wir sind nach unserem Heimaturlaub auch wieder unterwegs, und seit ein paar Tagen in Chengdu. EA soll aber bald weitergehen Richtung Kunming und Laos.
    Dann mal eine gute Zugfahrt. Bis wohin wollt ihr den Zug nehmen?
    Viele Grüße, Flo

    1. Avatar von Daniel & Toni
      Daniel & Toni

      He ho, danke, wir fahren auch nach Chengdu. Danach wahrscheinlich auch Kunming und Laos. Wie lange seid ihr noch in der Stadt? Wir kommen am 10. an. LG

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