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Paris-Brest-Paris 2019 – Teil II: La mer

Daniel auf der Brücke vor Brest

Im zweiten Teil meines PBP Berichts erzähle ich euch vom Weg nach Brest. Die Fotos sind alle mit dem Handy aufgenommen, entschuldigt deshalb bitte Format und Qualität. Um das Ganze für euch etwas unterhaltsamer zu machen, haben wir den Bericht mit Chatverläufen aus unserem Teamchat versehen – das gibt euch nochmal eine andere Perspektive. Dazu gibts für jede Anekdote ein Koordinatensystem, dass meinen Stimmung im Streckenverlauf zeigt, damit wisst ihr immer wo wir gerade sind und wie die gefühlte Anstrengung bei mir ist.

Die Kilometer fliegen nur so dahin und die Ranndonneure rasen durch die Nacht. Es ist mucksmäuschen still. 6600 Fahrer auf der Straße und man hört kein Wort? Alle sind andächtig – die Osterandacht der Brevetkirche. Zwar ist es schon cool so durch durch die Nacht zu rauschen, aber so gerne würde ich mich mit all den Leuten unterhalten. Jeder der bei PBP am Start steht, hat eine aufregende Saison hinter sich – ob im Monsun, wie die südostasiatischen Randonneure, oder die, die ihre Qualifikation in Wüstenländern geschafft haben – Mann, was müssen die alle für grandiose Geschichten zu erzählen haben. Beflügelt vom Gefühl PBP zu fahren, sind meine Radlerkollegen wohl nicht müde – das wird sich noch ändern, denke ich mir, dann suchen sie bestimmt Gesprächspartner für die Nacht.

Tobias ist kurz vor mir los, im eigenen Starterfeld für „Special bikes“. Mein Startblock hatte die Nummer N – im späteren Verlauf war es ganz spannend zu sehen, wo man selbst im Feld unterwegs ist wenn einen plötzlich Radler aus deutlich späteren Startblöcken überholen oder andersherum.

Meinen Mitfahrer im Liegerad holte ich auf jeden Fall in der Kontrolle der Stadt Fougères ein, passend zum Frühstück – die Stimmung bei mir entsprechend gut. Bisher mussten wir nicht frieren – waren wir doch ausgeruht – und eh so aufgeregt, dass alles egal war. Trotzdem, eine Tasse warmer Kaffee kann nicht schaden. Typisch Französisch, mit Baguette zum Dippen. Tobias entspannt noch etwas, während es mich schon wieder auf die Straße zieht.

Ich rolle entspannt auf schönen Landstraßen, genieße die Atmosphäre und bin gerade zum zweiten Frühstück aus Kaffee und Kuchen zum Halten gekommen, da erreicht mich die Schreckensmeldung: Tobias hört auf.

Auf langen Touren ist Motivation ein zartes Pflänzchen. Man sollte gar nicht anfangen zu versuchen, seine Entscheidungen rational zu begründen: eigentlich hat Tobias ja Recht, machen wir uns doch ein paar schöne Tage und genießen das Leben, was soll dieser Mist eigentlich?

Zum Glück kann ich solche Gedanken schnell für mich ausräumen, es gibt keine Zweifel: ein paar schöne Tage in Paris? Si claro! Aber vorher geht es nach Brest, verdammte Axt.

Aber in der Tat stellt mich Tobias Abbruch vor einige logistische Herausforderungen; der Plan war es, dass Tobias mein Rad mit in die Heimat nimmt, während Toni und ich noch etwas einen drauf machen. Ich kann natürlich nicht verlangen, dass Tobias in einem Motel in Paris ausharrt, bis ich meinen Egotrip hier durchgezogen habe. Aber Tobias lässt uns nicht hängen, fährt eine entspannte touristische Route zurück nach Paris und wartet dort, bevor er meine treues Velo wie selbstverständlich verstaut – dafür hat er noch lange einen gut bei mir.

Mit guten Gedanken geht es also in die zweite Nacht. Dafür wird es langsam zäh. Tobias hatte in weiser Vorraussicht schon Monate vorher ein Hotelzimmer, etwa auf halben Weg, organisiert. Zu dem Zeitpunkt hatte ich PBP noch gar nicht auf dem Schirm – jetzt treibt mich die Vorstellung einer warmen Dusche und eines weichen Bettchens durch die kälter werdende Nacht.

Die letzten Kilometer werden zäh, ich will nicht zu spät kommen und es soll sich auch lohnen abzusteigen – die Schlusszeit des nächsten Checkpoints drängt, viel Pause machen kann ich eh nicht. Alle paar Minuten frage ich bei Toni an, wie weit es noch ist und bin langsam am Verzweifeln. Völlig ausgepowert erreiche ich mein Bleibe für den Rest der Nacht.

Das Hotel wird von zwei Briten betrieben, die im Moment nur Randonneure und deren Familien beherbergen und es als Ihre Mission ansehen, die Sportler bei ihrer Aufgabe zu unterstützen. Mein Schulfranzösisch wurde in den letzten Tagen genug auf die Probe gestellt – in Englisch bedanke ich mich für den Topf Nudeln und gehe sofort schlafen. Insgesamt 5h Pause kann ich mir gönnen um pktl. zum nächsten Checkpoint einzureiten.

Der Wecker am nächsten Morgen braucht einige Anläufe, bevor ich mich aufraffe und im Dunkeln wieder raus in den kalten Morgen traue. Die Zeit bis zum Stempel ist relativ knapp bemessen und ich stresse mich ziemlich, weil ich mir im Morgennebel nicht mehr sicher sein kann, noch auf der richtigen Strecke zu sein. Mal blitzt kurz das Rücklicht eines Randonneurs vor mir auf: sind die vielleicht auch falsch? Aber alles klappt, wie es soll. Ich erreiche im Morgengrauen die letzte Station vor Brest.

Es ist durchaus kühl und ich freue mich erneut über Tobias Weitsicht. Mein Frühstückspaket habe ich in der Trikottasche während das kleine Bier, das ich im abendlichen Übermut am Wegesrand aufgesammelt habe (siehe Foto oben), ungeöffnet im Zimmer geblieben ist.

In bester Stimmung laufen die Kilometer bis zur Zwischenzeit gut. Ich bilde mir schon lange ein, dass der Geruch von Meer in der Luft liegt, bis irgendwann tatsächlich der Atlantik vor mir zu sehen ist. Die legendäre Brücke taucht nach einer kurzen Abfahrt auf und da wartet auch schon Toni auf mich, um Fotos zu machen.

Ein ziemlich gutes Gefühl, von Paris bis an den Atlantik geradelt zu sein, die Stimmung könnte nicht besser sein.

Ausgestattet mit einer kleinen bretonischen Fahne, die mir Toni in einem Andenkenladen besorgt hat, geht es weiter durch die Stadt hin zum Checkpoint. Ich verabschiede mich von Toni mit Taschen voll mit Snacks und trete wieder in die Pedale: nur noch 600km bis Paris.

3 Antworten zu „Paris-Brest-Paris 2019 – Teil II: La mer“

  1. Avatar von Tobias
    Tobias

    Ah oui, le Paris-Brest!

  2. Avatar von Koschi
    Koschi

    Wie immer spannend zu lesen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Fahrradfahren eine therapeutische Wirkung hat. Höhen und Tiefen genießen und aushalten können. Das prägt schon ein Stück Leben.
    Bin gespannt auf den nächsten Beitrag.

    1. Avatar von Daniel & Toni
      Daniel & Toni

      In der Tat ist Brevet-Fahren Leben in komprimierter Form. Beim Auf und Ab muss man sich bewusst machen, dass es (wenn es einem schlecht geht) mindestens noch einmal richtig gut wird bevor es vorbei ist, bzw. dass man das Hoch richtig auskosten muss solange es hält. Das hat man bei kürzeren Strecken nicht.

      Da soviel komprimiertes Leben in einem Brevetwochenende steckt macht es auch so süchtig 😉

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